Knokke-Heist, mondäner Nachbarort von Cadzand-Bad an der belgischen Nordseeküste, bietet nicht nur 90 Kunstgalerien, sondern auch zahlreiche Kunstwerke im öffentlichen Raum zwischen Strand und Dünen, Promenade und Shoppingstrassen: Skulpturen aus klassischen Materialien wie Granit oder Bronze, aber auch Installationen aus neuartigen Werkstoffen wie Kunstharz oder hochglanzpoliertem Edelstahl. Bei einem „Art Walk“ durch Knokke-Heist erschließen sich die ikonische Skulpturen und witzige Installationen aus Gemeindebesitz oder von den Eigentümern in Leihgabe gegebene Kunstwerke nicht nur in den Sommermonaten, wenn die Strandpromenade vor Leben nur so vibriert, sondern auch in der Stille des Herbstes oder an einem klaren Wintertag. Denn nahmhafte, moderne und zeitgenössische Künstler haben in Knokke-Heist dauerhaft wie in einem großen Freiluftmuseum ihre kreativen Spuren hinterlassen. Die sechs interessantesten Kunstwerke in Knokke-Heist stellen wir hier exemplarisch für die belgische Kunstmetropole am Meer vor.
Art Walk durch Knokke-Heist
Knokke-Heist: Kunst an Strand, auf der Promenade und in der Stadt
A Tower of Beach Houses
Der Turm von Jean-François Fourtou aus mehreren typischen belgischen Strandhäusern auf einer Wiese auf dem Maurice Lippensplein in Knokke-Heist am südlichen Ortseingang ist ein ungewöhnliches Kunstwerk, das ein Stopp auf dem Art Walk wert ist. Diese weißen Häuser, die scheinbar kurz davor stehen, umzufallen, thronen über Kopf mit dem Dach nach unten übereinander und sind seit ihrer Installation 2018 zum Symbol der Gemeinde Knokke geworden. Der Pariser Jean-François Fourtou (1964) lebt und arbeitet in Marrakesch und ist bekannt für seine irritierenden und komplexen Installationen im öffentlichen Raum, die häufig aus physikalischen Paradoxien bestehen: auf dem Dach stehende Häuser, Miniaturmenschen auf überdimensionalen Möbeln oder Riesen in Miniaturwohnungen oder Wildtiere in städtischer Umgebung.

"Hospitality" aka "Bunny"
In der Nähe des Naturschutzgebietes „Het Zwin“ am nördlichen Ende der Strandpromenade von Knokke-Heist steht die auffallende Skulptur „Hospitality“, die im Volksmund den Namen ihres Schöpfers trägt: „Flanagan’s Hare“ oder einfach „The Bunny“ aus dem Jahr 1990. Der Grund für die Beliebtheit dieser eigenartigen Skulptur liegt auf der Hand: ein großer Bronzehase, der seit 1997 auf den Dünen springt oder unter dem freiem Himmel fliegt oder schwebt. Die Skulptur symbolisiert Freiheit, Unabhängigkeit und Dynamik und wurde auch schon ausserhalb von Knokke-Heist in New York und Chicago aufgestellt. Der britische Bildhauer Barry Flanagan (1941–2009) ist bekannt für seine dynamischen Tierfiguren, insbesondere fliegende Hasen, die in seinen Werken auf Zeichnungen oder als Skulpturen auftauchen. Die Hasen-Skulpturen sind oft aus Bronze gefertigt und in verschiedenen dynamischen Gesten und Situationen dargestellt, wie beim Springen und Tanzen oder beim Spielen von Musikinstrumenten. Die Skulpturen sind aber nicht nur Darstellungen von Tieren, sondern dienen als Metaphern für menschliche Emotionen und Zustände wie Freude, Überraschung, Sexualität und Neugier.
Zwee grote AVL mannen
Diese beiden knapp zehn Meter hohen Figuren, die sich auf dem Abraham Hansplein, wo sich der Verkehr aus dem Landesinneren und der von der Küstenstraße in Knokke-Heist kreuzen, zu begrüßen scheinen, haben einen offensichtlichen symbolischen Wert. Die Fiberglas-Skulpturen des niederländischen Bildhauers und Objektkünstler Joep van Lieshout (1963) aus dem Jahr 2000 strahlen durch ihre Farbe und ihre Monumentalität eine gewisse Wärme und Großzügigkeit aus. Unwirklich und doch faszinierend, provokativ und gleichzeitig ein erkennbares Wahrzeichen der Gemeinde Knokke-Heist. Van Lieshout, der sich selbst als Superindividualist bezeichnet, stellt weltweit aus und ist vor allem für seine Polyesterstrukturen bekannt. Inhaltlich ist sein Werk eine Kombination aus verspieltem Humor und Ernsthaftigkeit, Erkennbarkeit und Abstraktion, Wärme und Distanziertheit.
30 Windhosen
Entlang des elf Kilometer langen Deiches von Knokke-Heist finden sich Windsäcke, wie sie auf Flughäfen verwendet werden, jedoch in sehr fantasievollen und vielfältigen Formen und Farben. Auch dieses Material ist sehr vergänglich und Wind und Wetter ausgesetzt. Sie werden daher jedes Jahr von einer spezialisierten niederländischen Firma nach neuen Entwürfen hergestellt und können von Ostern bis nach den Herbstferien an zehn Orten längs der Promenade jeweils als Trio bewundert werden: Im Ortsteil Heist am Vissershuldeplein und Heldenplein, in Duinbergen im Joseph Stübbenpark und De Wandelaar, in Knokke am Casino, Rubensplein, Van Bunnenplein und Lichttorenplein und in Het Zoute am Albertplein und am Ende der Promenade Zeedijk-Oosthinderstraat. Die Installationen stammen von der belgischen Künstlerin Griet Dobbels (1964). Kernbegriffe in ihrem Werk sind die Dialektik zwischen Größe und Nichtigkeit, Vergänglichkeit und Zeitlosigkeit, Natur und Kultur, Schönheit und Grauen, Sicherheit und Gefahr, Chaos und Kontrolle, Universalität und Individualität. Dobbels stellt im In- und Ausland aus und realisierte eine Reihe bemerkenswerter Residenzen, darunter zuletzt in Jerusalem und Ramallah (2021-2023) und Cittadellarte-Fondazione Pistoletto (2017-18). Ihre Arbeiten sind in musealen Kontexten, in Kunstzentren, im öffentlichen Raum oder im Rahmen verschiedener privater Initiativen zu sehen.
Der Poet
Von der Bronzefigur „Der Poet“ des russsischen Kubisten Ossip Zadkine (1888 – 1967) wurden insgesamt fünf Exemplare gegossen, davon eines für die Stadt New York. Und eine Version steht auf dem neugestalteten Albertplein in Knokke-Heist vor der Glaskuppel „The Sphere“. Die Plastik aus dem Jahr 1963 verleiht auf einfühlsame Weise dem „Freiheitssänger“ Ausdruck. Der Dichter hält Orpheus’ Leier an der Brust. Es ist ein unvollendetes Bild, eine entwurzelte Pflanze voller Verse, mit eingravierten Fragmenten des Gedichts „Liberté“ von Paul Éluard. Das bekannteste Werk von Zadkine ist vermutlich die Skulptur „Die zerstörte Stadt“ (niederländisch „De verwoeste stad“): Eine 6,50 m hohe Bronzeplastik, die 1951–1953 entstand – ein Denkmal, das an die mutwillige Zerstörung Rotterdams durch die deutsche Luftwaffe 1940 erinnern soll.

Ask the Animals, and They Will Teach You
Für die Triennale „Beaufort 21“ realisierte der britische Künstler Jeremy Deller (geb. 1966) am Van Bunnenplein in Knokke-Heist eine monumentale Chamäleon-Skulptur, die zugleich als Rutschbahn fungiert. Dieses Werk verbindet spielerische Interaktion mit kritischer Reflexion und stellt eine bewusste Gegenposition zur traditionellen Monumentkultur dar. Während klassische Denkmäler häufig durch Ernsthaftigkeit geprägt sind, sich auf historische Ereignisse beziehen oder heroische Taten glorifizieren, feiert Deller in seiner Arbeit ein Lebewesen, das meist übersehen wird: das Chamäleon, eines der ältesten Tiere der Erde. Heute ist ihre Existenz zunehmend bedroht – vermutlich infolge des Klimawandels –, auch wenn dieses Thema in Dellers Werk nicht im Vordergrund steht. Stattdessen richtet sich seine Aufmerksamkeit auf die Begegnung von Kunst, Natur und Spiel: Kinder sind eingeladen, die Skulptur zu erkunden und die lange, geschwungene Zunge des Chamäleons als Rutsche zu nutzen. Mit dieser interaktiven Installation im Zentrum von Knokke-Heist hinterfragt Deller die gängige Vorstellung, Kunst im öffentlichen Raum müsse primär repräsentativ oder gedenkend sein. Er verwandelt das Denkmal in einen Ort des Staunens, der Freude und des Nachdenkens über die Beziehung zwischen Mensch und Natur. „Chamäleons haben etwas Magisches an sich“, erklärt Deller. „Sie können Dinge tun, von denen wir nur träumen können, und sie gehören zu den schönsten Lebewesen unseres Planeten. Wir sollten ihnen Ehre erweisen.“













